Theater Narrenschiff

21/01/19

Zum Endspurt unseres WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF…?-Run möchten wir noch mal ein paar Hintergrundinformationen über den Autor, sein Werk und über die Scheinheiligkeit der 1950er Jahre geben. Katalina Kopka, die Darstellerin der HONEY und englische Literaturwissenschaftlerin, hat für unser Programmheft recherchiert und zusammengefasst.

„Alle spielen Spiele. Leute spielen mit der Wahrheit; sie spielen mit der Realität, mit Illusionen. Jeder macht das, deshalb verstehe ich nicht, warum alle so schockiert sind, wenn das auf einmal in einem Theaterstück passiert.“

Edward Albee

EIN MODERNER KLASSIKER

WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF…? wurde am 13. Oktober 1962 am Broadway uraufgeführt und schlug ein wie eine Bombe. Obwohl – oder gerade weil – es von Anfang an höchst umstritten war, war das Stück mit über 600 Vorstellungen am Billy Rose Theater äußerst erfolgreich. Auch wenn es für heutige Verhältnisse recht zahm wirkt, war das zeitgenössische Publikum schockiert von der obszönen Sprache, den dreckigen Ehegefechten und den expliziten sexuellen Themen des Dramas. Im sittsamen Amerika der frühen 60er-Jahre waren bei weitem nicht alle amüsiert von der Art und Weise, wie Albee die neurotischen Intellektuellen der Elite-Colleges an Amerikas Ostküste vorführte. Zwar gewann Albees Drama 1963 einen Tony Award und den New York Critics Award; den Pulitzer-Preis, für den es nominiert war, bekam es allerdings nicht, weil Mitglieder des Preiskomitees auf die Barrikaden gingen. Komiteemitglied W. D. Maxwell nannte das Drama ein „filthy play,“ ein schmutziges Theaterstück. Er verurteilte es wegen seiner „Morbidität und sexuellen Perversität, deren einziger Zweck es ist, das impotente und homosexuelle Theater und Publikum aufzupeitschen .“ Daraufhin traten zwei andere Pulitzer-Vorstände empört zurück. Auf Grund dieser Kontroverse wurde 1963 überhaupt kein Pulitzer-Preis verliehen.

Einen weiteren Skandal verursachte das Drama, als einige Kritiker lautstark die Meinung vertraten, es ginge in dem Stück gar nicht um die verkorkste Ehe eines mittelalten Akademikerpärchens, sondern um homosexuelle Männer. Obwohl Albee diese homophobe Interpretation stets entschieden zurückwies, unternahmen Henry Fonda und Richard Burton 1970 den Versuch, die Geschichte gemeinsam mit Warren Beatty und Jon Voigt mit einer komplett männlichen Besetzung auf die Bühne zu bringen. Das Projekt trug allerdings nie Früchte, weil der Autor selbst ihnen die Rechte verweigerte. In Wirklichkeit beruhen die Figuren auf echten Freunden Albees. Die Vorlage für George und Martha lieferten die experimentelle Filmemacherin Marie Menken und ihr Mann, Literaturprofessor Willard Maas, die berüchtigt waren für ihre tagelangen Saufgelage und öffentlichen Streitereien. Darüber hinaus verarbeitete Albee seine eigenen Erfahrungen am provinziellen Trinity College in Connecticut.

„Deine Vorlage sind die Leute, die du kennst, und nicht die Leute, die du nicht kennst. Aber jede Figur trägt auch immer einen Teil der Persönlichkeit des Autors in sich.“

Heute ist unumstritten, dass WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF…? Albees Meisterwerk ist. Das bitterböse Kammerspiel ist ein Meilenstein des analytischen Dramas, das auf der psychologischen Komplexität seiner Charaktere fußt. Dabei geht es weniger um die Handlung des Stücks, als um dessen Figuren: die Charaktere offenbaren ihren seelischen Zustand und enthüllen nach und nach Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit, die sie zu dem gemacht haben, was sie jetzt sind.

DIE SCHEINHEILIGKEIT DER 1950er JAHRE

WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF…? kritisiert die Scheinheiligkeit der amerikanischen Gesellschaft der 1950er-Jahre. Mitten in den Unruhen des Kalten Krieges besann sich amerikanische Populärkultur auf das Private. Während tausende junge Männer im Koreakrieg niedergemetzelt wurden, Lynchmobs in den Südstaaten Afro-Amerikaner ermordeten und die Supermächte UdSSR und USA im atomaren Wettrüsten der kompletten Auslöschung der Menschheit entgegentaumelten, zeigten zeitgenössische Filme und Werbung eine schöne heile Welt.Dabei wurde insbesondere die Bilderbuch-Kleinfamilie mit traditioneller Rollen-verteilung zu Amerikas wichtigstem Kulturgut verklärt.

Albees Stück, dessen Uraufführung mitten in die Kubakrise fiel, entlarvt dieses Ideal als schönes Trugbild. Es eröffnet einen schonungslosen Blick auf echte amerikanische Familien und wie deren Leben in Wirklichkeit häufig hinter ihren großen Erwartungen zurückbleibt. Seine Figuren sind hoffnungslose Fälle: sie setzen ihren Mitmenschen gegenüber eine schöne Fassade auf und belügen sich letzten Endes selbst. Die hässliche Realität seines Stücks zeigt eine Reihe gebrochener Charaktere, die in von Alkohol zerrütteten Ehen gefangen sind und sich wie grausame Kinder an sinnlosen Machtspielen ergötzen. Deshalb wurde es von vielen Zeitgenossen als Angriff auf die Institution der Ehe gesehen. Eigentlich geht es Albee jedoch viel mehr darum, die psychologische Funktion von Illusionen zu ergründen.

Wie bei vielen seiner Zeitgenossen ist Albees Schreiben stark beeinflusst von den Theorien Sigmund Freuds, die im Nachkriegs-Amerika eine Renaissance erlebten. Laut Freud ist der Menschen ein narzisstisches Wesen, dessen Verhalten von seinen unbewussten sexuellen und selbstzerstörerischen Trieben bestimmt wird. Darüber hinaus beschreibt Freud in „Die Zukunft einer Illusion,“ wie die kindliche Hilflosigkeit aller Menschen im Angesicht des unausweichlichen Todes dazu führt, dass sie sich mit Illusionen (wie zum Beispiel Religion) Linderung verschaffen. Laut Freud sind solche Illusionen nicht zwangsläufig falsch, sondern können einen wichtigen Zweck für die Psyche erfüllen, indem sie bis zu einem gewissen Grad dem Selbstschutz dienen. Illusion ist also kein Irrtum, sondern Wunschdenken. Allerdings wird es gefährlich, sobald die Illusion mit der Wirklichkeit zusammenprallt: das verletzt das ohnehin schon angeknackste Ego des Menschen. Im Grunde gleicht WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF…? einer zerstörerischen Therapiesitzung, in der sich die Figuren gegenseitig ihre Illusionen zerstören, bis sie am Ende der nüchternen Realität ins Auge sehen müssen. Letzten Endes gelingt es Albee, mit seinem seinen Mikrokosmos Neu Karthago allgemeingültige Aussagen über die Gemütsverfassung der gesamten Nation zu machen. Der American Dream ist zum Albtraum geworden, der Menschen nur noch über materiellen Erfolg definiert. Die Gesellschaft ist geprägt von Selbstsucht, Konkurrenzdenken und Konformismus. So ist es kein Zufall, dass die Hauptcharaktere die Vornamen von Amerikas erstem Präsidenten-Ehepaar George und Martha Washington tragen. Albee kritisiert auf subtile Art, wie die scheinheilige Gesellschaft der 50er-Jahre die hehren Ideale seiner Gründungsväter verraten hat.

“Wie Leute in ihrer Gesellschaft existieren und wie sie sich selbst belügen – das ist mein Hauptanliegen.“

EDWARTD ALBEE

Edward Franklin Albee III. ist einer der bedeutendsten amerikanischen Bühnenautoren des 20. Jahrhunderts. Er wurde am 12. März 1928 in Washington, D.C. geboren und zwei Wochen nach seiner Geburt vom Vaudeville-Theater-Erben Reed Albee und seiner glamourösen Ehefrau Francis adoptiert. Albee wuchs in einem reichen aber emotional schwierigen Elternhaus auf – ein Thema, was sich später immer wieder in seinen Stücken niederschlagen sollte.

Durch seinen Vater tauchte er schon früh ins Theaterleben ein und schrieb mit 12 sein erstes Stück. Albee war ein schwieriger Teenager, der wegen seiner Autoritätsprobleme sowohl von der High School als auch von einer Militärakademie flog. 1946 besuchte er Trinity College im beschaulichen Hartford, Connecticut. Da er jedoch zu viele Vorlesungen schwänzte und sich weigerte, zum Uni-Gottesdienst zu gehen, wurde er auch dort rausgeworfen.  Albee ging daraufhin wie viele Studienabbrecher seiner Generation, nach New York, wo er sich zunächst mit kleinen Jobs als Kellner und Telegrammbote über Wasser hielt. Dort lebte er in Greenwich Village, dem Epizentrum der alternativen Künstlerszene New Yorks. Er begann ein ausschweifendes Leben als Bohemien, trieb sich in Nachtclubs herum, schrieb Gedichte und Romane, die er allerdings nie veröffentlichte. Inspiriert von einem Treffen mit dem bekannten Theaterautor Thornton Wilder begann Albee Anfang der 50er-Jahre, selbst Stücke zu schreiben.

„Kunst ist nicht zur Beruhigung da. Sie stiftet Unruhe.“

In seinen frühen Stücken experimentierte Albee mit avantgardistischen Formen des Theaters, insbesondere mit dem damals revolutionären absurden Theater Samuel Becketts. Obwohl Albee so zum Wegbereiter eines radikal modernen amerikanischen Theaters wurde, ist es wenig verwunderlich, dass seine Stücke zunächst relativ wenig Resonanz beim gutbürgerlichen Mainstream-Publikum fanden. Albees erstes großes Stück, das innerhalb von drei Wochen geschriebene Zwei-Personen-Stück DIE ZOOGESCHICHTE, wurde 1959 bezeichnenderweise in West-Berlin und nicht am Broadway uraufgeführt. Verschiedene US-Theater hatten das Drama zuvor abgelehnt, weil es ihnen zu experimentell erschien. Erst ein Jahr später landete es an einem kleinen Off-Broadway-Theater, wo es wider Erwarten viel positive Kritik erntete. Seinen Durchbruch erlangte Albee kurz darauf im Jahr 1962 mit WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF…?, woraufhin er bald zu einem der gefragtesten zeitgenössischen Bühnenautoren avancierte.

“Ich glaube Leute haben die Verantwortung, sich einzugestehen, dass sie sich selbst etwas vormachen.“

Albee wurde bekannt für seine geistreichen psychologischen Kammerspiele mit gestochen scharfen Dialogen. Wie seine Zeitgenossen Eugene O’Neill und Arthur Miller befasste sich Albee in seinen Dramen intensiv mit dem modernen Leben im Amerika des 20. Jahrhunderts. Dabei übte er harsche Kritik am American Dream und konventionellen Institutionen wie der heterosexuellen Ehe und traditionellen Familie. Albee, der seine Homosexualität offen auslebte und seit 1971 in einer festen Partnerschaft mit Jonathan Richard Thomas war, trat Zeit seines Lebens öffentlich für LGBTQ-Interessen ein. Allerdings sträubte er sich stets dagegen, als Künstler auf seine sexuelle Identität reduziert zu werden. Über sich selbst sagte er: „Ich bin kein schwuler Autor. Ich bin ein Autor, der nun mal eben zufällig schwul ist.”

Im Laufe seiner langen Karriere wurde Albee vielfach ausgezeichnet. So gewann er drei Pulitzer-Preise für Empfindliches Gleichgewicht (1967), Seeskapade (1975) und Drei große Frauen (1994), zwei Tony Awards, die Goldmedaille für Theater der American Academy (1980), einen Special Tony Award für sein Lebenswerk (2005) und die National Medal of Arts, Amerikas bedeutendste Auszeichnung für Künstler (1996). Von 1988 bis 2003 war er zudem Distinguished Professor der Theaterwissenschaft an der University of Houston.

Edward Albee starb am 16. Oktober 2016 im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in Montauk, New York. WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF…? bleibt sein erfolgreichstes Stück.

„Wenn ich ein Stück schreibe, möchte ich, dass es verändert, wie die Leute sich selbst und ihr Leben sehen. Ich habe noch nie ein Stück geschrieben, das nicht im Kern politisch war...Wir brauchen einen Angriff auf das Unbewusste.“

Stückauswahl von Edward Albee

Die Zoogeschichte (1958), Der Sandkasten (1959), Der amerikanische Traum (1961), Empfindliches Gleichgewicht (1966), Seeskapade (1974), Ehetheater (1987), Drei große Frauen (1991), Die Ziege oder Wer ist Sylvia? (2000)

WER HAT DEN NUN ANGST VOR Virginia Woolf?

Die Inspiration zum Titel WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF…? kam Edward Albee auf einem Kneipenklo: in einer New Yorker Bar hatte jemand „Who’s afraid of Virginia Woolf“ auf den Toilettenspiegel geschmiert. Der Satz blieb hängen und kam ihm wieder ins Gedächtnis, als er das Stück – was zunächst ursprünglich The Exorcism (die Austreibung) heißen sollte – schrieb. Der Titel ist ein Wortspiel mit dem Namen der britischen Autorin Virginia Woolf und dem Kinderlied „Wer hat Angst vor dem bösen Wolf“ aus dem Disneyfilm „Die drei kleinen Schweinchen“ (1933). Die absurde Kombination aus Kindervers und verkopftem intellektuellem Humor verkörpert perfekt die Komplexität von Albees Stück. Zwar hat die Handlung nicht direkt mit der britischen Autorin zu tun, doch sind Woolfs Romane ähnlich wie Albees Dramen geprägt von detaillierten Darstellungen des psychologischen Zustands ihrer Figuren, die oftmals von Angstzuständen, Depressionen und anderen geistigen Erkrankungen heimgesucht werden. Woolf selbst kämpfte ein Leben lang mit einer bipolaren Störung, hörte Stimmen und beging letzten Endes Selbstmord, indem sie sich bis sie sich 1941 in einem Fluss ertränkte. Und auch der böse Wolf des Kinderliedes wird in Albees Stück symbolisch aufgeladen: er steht für alles, was uns auch im Erwachsenenalter noch Angst einjagen kann. Die vier Protagonisten ringen verzweifelt mit ihren Lebenslügen und müssen sich am Ende eingestehen, dass sie alle „Angst vor einem Leben ohne falsche Illusionen“ haben, wie Albee in einem Interview sagte.

DIE VERFILMUNG

1966 produzierte Warner Bros. eine Filmversion von Albees Bühnenhit. Das Projekt war von Anfang an umstritten, da das Stück – insbesondere wegen seiner Inhalte und Textlastigkeit – als unverfilmbar galt. Zunächst plante Studioboss Jack Warner, die alternden Leinwandgrößen Bette Davis und James Mason als Martha und George zu besetzen. Albee war begeistert, hatte er doch einen langen Dialog über Bette Davids legändere Zeile „What a dump!“ („Was für ein Drecksloch!“) aus ihrem Film Der Stachel des Bösen (1949) in den ersten Akt seines Stückes eingebaut. Doch das Studio fürchtete einen Riesenflop und besetzte die Rollen stattdessen mit seinen Superstars Elizabeth Taylor und Richard Burton. Diese Besetzung war eine absolute Sensation.

Taylor und Burton, die während der Dreharbeiten verheiratet waren (das erste Mal von insgesamt zwei Malen), galten als Hollywoods berüchtigstes Paar. Sie lernten sich 1963 bei den Dreharbeiten des Sandalenepos CLEOPATRA kennen, der sein Studio fast in den finanziellen Ruin getrieben hätte. Dabei standen die beiden nicht nur gemeinsam vor der Kamera, sondern begannen auch bald eine leidenschaftliche – und von der Klatschpresse sorgfältig dokumentierte – Affäre. Sowohl Burton als auch Taylor waren zu der Zeit nämlich noch anderweitig verheiratet, was einen handfesten Skandal auslöste. Papst Johannes XXIII. Verurteilte den Ehebruch öffentlich und eine US-Senatorin wollte Taylor sogar die Wiedereinreise in die USA verbieten. Die Affäre wurde zur „am beharrlichsten veröffentlichten Privatangelegenheit der 1960er Jahre“ und setzte nicht nur neue Maßstäbe in der Berichterstattung über Prominente, sondern trug auch zur sexuellen Revolution bei. Auch nach ihrer Hochzeit 1964 blieben „Liz und Dick“ im Rampenlicht. Die Klatschblätter dokumentierten ihr Jetset-Leben, ihre öffentlichen Streitereien, ihren verschwenderischen Luxus, ihre Alkoholexzesse. Nicht zuletzt wegen ihres ausschweifenden Privatlebens avancierten sie zum bestbezahltesten Leinwandpaar Hollywoods, drehten 11 Filme zusammen und waren absolute Erfolgsgaranten.

Obwohl die damals erst 33-jährige Elizabeth Taylor, die noch dazu als eine der schönsten Frauen der Welt galt, in vielen  Augen eine absolute Fehlbesetzung war, bestand Jack Warner auf sein Casting. Taylor futterte sich 15 Kilo an und vollbrachte eine schauspielerische Glanzleistung als kratzbürstige Martha. Richard Burton, der sonst eher als knatternder Shakespeare-Mime bekannt war, gab einen überraschend zurückgenommenen George. Sandy Dennis als Honey und George Segal als Nick lieferten ebenfalls Ausnahmedarbietungen. Taylor überzeugte zudem die Produzenten, den jungen Theaterregisseur Mike Nichols zu verpflichten. Der war zwar bereits für seine Arbeit am Broadway bekannt, hatte jedoch noch nie einen Film gedreht. Taylors Gespür zahlte sich aus: Nichols Film wurde der erfolgreichste Film des Jahres und erhielt 13 Oscar-Nominierungen, wovon er 5 gewann (unter anderem Beste Schauspielerin und Beste Nebendarstellerin). Nichols, der ein Jahr später mit Die Reifeprüfung Weltruhm erlangte, wurde für seine ungewöhnliche Inszenierung des Kammerspiels als „neuer Orson Welles“ gefeiert. Seine extremen Nahaufnahmen, schrägen Winkel und wilden Kamerafahrten waren Wegbereiter für den Look des Neuen Hollywood der 70er-Jahre.

Als Tüpfelchen auf dem I versetzte WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF…? dem schwächelnden Production Code Hollywoods den Todesstoß. Mehr als drei Jahrzehnte lang hatte der sogenannte Hays Code der Filmindustrie einen künstlerischen Maulkorb verpasst, indem obszöne Sprache, Gotteslästerung, moralisch Fragwürdiges, sowie explizite Gewalt und Sexualität zensiert wurden. Produzent und Drehbuchautor Ernest Lehman setzte sich mit seiner am eng am schockierenden Theaterstück orientierten Skriptversion erfolgreich gegen die erzkonservative Motion Picture Association of America durch. Zwei Jahre später wurde daraufhin das noch heute geltende System der Altersfreigabe eingeführt.

Text: Katalina Kopka . Fotos: Nils Jacobi