Theater Narrenschiff

Marco Janiel

15 Jahre - 15 Fragen

Oder in diesem Fall könnte man auch sagen “Der tn-Vorstand interviewt sich“. Unsere 2. Vorsitzende des Vereins, Judith Binias, hat unseren ersten Vorsitzenden Marco Janiel interviewt. Marco ist schon fast von Anfang an Teil des „neuen narrenschiffs“ gewesen und hat seit 2004 in 50 Produktionen des tn mitgespielt. Marco ist ausgebildeter Theaterpädagoge und hat grade in den Anfangsjahren zusammen mit André Decker unser junges Ensemble bloßgestellt mit aufgebaut. In dieser Zeit lernten sich Marco und Judith im tn auch kennen, und blicken gemeinsam auf 14 Jahren narrenschiff-Erinnerungen zurück.

Marco Janiel . Ensemblemitglied seit 2004

„Das Besondere am Theater ist, dass du es einfach nicht alleine machen kannst.“

Judith: Lieber Marco, du bist nun seit 14 Jahren im narrenschiff und somit ein Urgestein des Theaters. Für mich persönlich bist du seit wir uns das erste Mal im tn getroffen haben nicht nur mein damaliger Mathe-Nachhilfelehrer, sondern auch mein „großer Bruder“. Du hast das tn also schon lange begleitet. Was hat sich deiner Meinung nach in den letzten 15 Jahren verändert?

 

Marco: Ich freue mich sehr, dass du mich interviewst, wir haben ja damals fast zeitgleich angefangen. Das Schöne am tn ist, dass es sich gleichzeitig immer wieder verändert, es aber auch immer ein bisschen das Gleiche bleibt. Wir sind natürlich größer und professioneller geworden, haben uns schauspielerisch verbessert, wissen heute mehr als damals welche Art von Theater wir spielen wollen, aber gleichzeitig sind wir im Herzen auch noch die kleine Familie von verrückten Künstlern geblieben, die einfach das Theater machen wollen auf das sie Bock haben.

 

Judith: Du bist auch seit einigen Jahren im Vorstand. Findest du, dass es eine besondere Herausforderung ist, Ensemblemitglied und Vorstand zugleich zu sein?

 

Marco: Oje, ich bin seit 2011 im Vorstand und seit letztem Jahr auch wieder der freundliche erste Vorsitzende und natürlich gibt es immer wieder Momente in denen meine beiden Rollen eine Herausforderung darstellen. Da muss man schon mal die liebevoll aufgestellten Teelichter bei der Weihnachtsfeier auspusten, weil sie unter einem Rauchmelder stehen. Aber insgesamt macht es, vor allem mit meinem wunderbaren Vorstandsteam und André, auch viel Spaß und man bekommt einen interessanten Blick für das ganze Drumherum eines Theaterbetriebs.

 

Judith: Ich kann mich daran erinnern, dass du vor vielen Jahren noch in ein Taschentuch geatmet hast, bevor die Vorstellung losgeht. Heute erlebe ich dich als einer der entspanntesten Darsteller. Bist du gar nicht mehr nervös?

 

Marco: Die alten Geschichten. Das war eine wunderbare Methode um den Sauerstoff im Gehirn zu erhöhen :-). Klar bin ich nervös, wenn es einem irgendwann völlig egal wäre vor Publikum aufzutreten, hätte man wahrscheinlich schon vor Jahren aufhören sollen. Aber ja, ich bin wahrscheinlich entspannter als andere vor einer Vorstellung und freue mich eher darauf.

 

Judith: Was hat sich für dich in den Jahren verändert?

 

Marco: Der Bauch :-)

 

Judith: Du hast in rund 50 Stücken mitgespielt! Welche Rolle

war für dich die Herausforderndste und warum?

 

Marco: Das kann ich so nicht sagen. Jede Rolle ist natürlich auf ihre Art immer eine Herausforderung. Besonders schwierig ist es für mich aber immer dann, wenn wir gleichzeitig ein Stück spielen und das Nächste proben, das führt dann schon mal zu Konfusionen, wenn der römische Kriegsherr auf den lustigen Schwerenöter triff.

 

Judith: Du musstest ja auch sehr oft dein Äußeres verändern: mal einen Irokesenschnitt, mal blondierte Haare, mal mit oder auch ohne Bart. Wenn ich das anmerken darf: es steht dir alles wunderbar. Aber hat dich das in deinem Alltag beeinflusst?

 

Marco: Gott sei dank bin ich in meinem Alltag, privat und beruflich, mit ganz wunderbaren Menschen umgeben, die sich in den Jahren einfach daran gewöhnt haben, dass ich immer mal wieder anders aussehe. Also kann ich es auch genießen mich zu verwandeln.

 

Judith: Zurück zu den Anfängen: wie kam es überhaupt, dass es dich in die Theaterwelt verschlagen hat?

 

Marco: Meine ersten Erfahrungen machte ich in der Lindenbrauerei, also eine Tür weiter, bei der Studiobühne im schönen Jahr 1998, weil mich mein Freund Ralf (ja, du bist schuld und ich nenne dich namentlich) dazu überredet hatte, ich wollte es eigentlich nur als Hobby betreiben, gemütlich einmal die Woche, tja daraus ist dann nichts geworden.

 

Judith: Heute arbeitest du Vollzeit in Dortmund als

 

Theaterpädagoge und schreibst dort die Texte für deine Stücke selbst. Was denkst du kann Theater in der Welt bewirken?

 

Marco: Das Besondere am Theater ist, dass du es einfach nicht alleine machen kannst. Du brauchst die anderen, du brauchst die Schauspieler, den Regisseur, den Techniker und alle verlassen sich aufeinander und diese Erfahrung der Gemeinschaft ist ein ganz besonderes Geschenk, das ich versuche in meiner Arbeit weiterzugeben.

 

Judith: Herr Janiel: warum in Unna das theater narrenschiff und nicht Hollywood?

 

Marco: Ich gehöre halt zu den coolen Schauspielern die lieber Theater machen als Filme. Aber wenn es irgendwann passt und mir das Drehbuch gefällt, warum nicht?

 

Judith: Warum André Decker und nicht Steven Spielberg?

 

Marco: Steven Spielberg hat noch keine Shakespeare Verfilmung geplant. ?

 

Judith: Bleiben wir bei Filmen: wenn du die Chance hättest, welche Rolle aus einem Film hättest du gerne gespielt?

 

Marco: Ich bin Batman.

 

Judith: Hattest du einen besonderen Moment im tn, der dich nachhaltig verändert hat?

 

Marco: Ich glaube diese Momente gibt es immer wieder. Ich denke man nimmt aus jedem Stück auch etwas persönlich für sich mit nach Hause, über das es sich nachzudenken lohnt, geht mir wahrscheinlich da gar nicht anders als den Zuschauern.

 

Judith: Gibt es für dich Techniken, die du benutzt, um dich für eine Vorstellung vorzubereiten? Es soll ja zwei Methoden geben, um zu schauspielern: entweder man spielt die Emotionen oder man lebt sie. Hast du eine Methode für dich entdeckt und warum diese?

 

Marco: Ich finde das Text sehr wichtig ist, nicht weil wir so viel davon auswendig lernen müssen, sondern weil man viel über eine Rolle lernt, wenn man sie einfach mal durch sich hindurch sprechen lässt. Ich überlege mir vorher auch gar nicht warum sagt die Figur das, oder was in ihrer Kindheit passiert sein mag, sondern ich komme gerne über das Sprechen, über Betonung und Rhythmus in einen Charakter und dann kommen wir schon irgendwie zusammen, zum Beispiel der Eddie und ich.(Anm. Eddie Carbone aus „Ein Blick von der Brücke“)

 

Judith: Zeit für Sentimentalität. „Das Bacchanal“, frei nach Donna Tartt “Die Geheime Geschichte“ war dein erstes Stück im tn. Danach wurde es noch zweimal inszeniert und noch heute schwebt der Geist des Stückes im Theater. Was hat es so besonders gemacht, dieses Stück zu spielen?

 

Marco: Für mich war es natürlich das erste Stück im Theater, das bleibt immer unvergesslich. Und für uns als Ensemble war es ja auch das erste Mal, das alle die man heute Urgesteine nennt zusammen dieses Erlebnis teilen durften. Außerdem sahen wir gut aus.

 

Judith: Du hast zwischendurch auch mal ein Jahr Spielpause gemacht. Glaubst du, dass in so einem kreativen Leben solche Auszeiten wichtig sind?

 

Marco: Ja. Auszeiten sind wichtig. Wir machen manchmal fünf bis sechs Stücke im Jahr, das strengt schon auch an. Sich selbst immer mal wieder rauszuziehen mal kürzer, mal etwas länger hilft dabei die Freude und den Spaß nicht zu verlieren. Aber das mussten wir alten Workaholics natürlich auch erstmal lernen.

 

Judith: Gibt es ein Zitat aus früheren Stücken, das dich noch heute begleitet?

 

Marco: Und mich am Ende auf ein Zitat festzulegen, mal sehen: Ich muss Shakespeare nehmen oder? Klar, sonst wäre André von mir enttäuscht: Ich hatte immer nur so schöne Sätze wie: „Blut will es haben, man sagt Blut will Blut.“ (Macbeth . 2009) Vielleicht ein bisschen zu düster. Aber es gibt einen schönen Satz in Hamlet: „An sich ist nichts weder gut noch böse. Das Denken macht es erst dazu.“

Interview, Sommer 2017