Theater Narrenschiff

Marina Lünemann

15 Jahre - 15 Fragen . Das tn-Ensemble interviewt sich.

Lilja Kopka hat Marina Lünemann für euch interviewt. Marina hatte ihren ersten Kontakt mit dem Narrenschiff, als sie 2005 eine Komparsenrolle in ANGELES IN AMERICA übernahm. Danach war sie in unserem bloßgestellt-Ensemble und ist seit 2006 auch festes Ensemblemitglied im tn. Seitdem hat Marina viele Hauptrollen übernommen und hat mit Rollen wie Blanche in „Endstation Sehnsucht“, Marla Singer in „Fight Club“ oder der Herzgönigin in „Alice im Wunderland“ unvergessliche tn-Momente geschaffen.

Marina Lünemann . Ensemblemitglied seit 2006

"Ich liebe das Theater, weil häufig eine energetische Wechselwirkung zwischen Publikum und Darstellern entsteht; das pusht mich."

 

Lilja Kopka hat Marina Lünemann für euch interviewt. Marina hatte ihren ersten Kontakt mit dem Narrenschiff, als sie 2005 eine Komparsenrolle in ANGELES IN AMERICA übernahm. Danach war sie in unserem bloßgestellt-Ensemble und ist seit 2006 auch festes Ensemblemitglied im tn. Seitdem hat Marina viele Hauptrollen übernommen und hat mit Rollen wie Blanche in „Endstation Sehnsucht“, Marla Singer in „Fight Club“ oder der Herzgönigin in „Alice im Wunderland“ unvergessliche tn-Momente geschaffen.

 

Lilja: Liebe Marina, du warst schon meine Schwester und hast mir als Herzkönigin die Hölle heiß gemacht, ich freue mich sehr, dass ich dir ein paar Fragen stellen darf! Du bist jetzt seit 11 Jahren im Ensemble, hat man nach so viel Erfahrung überhaupt noch Lampenfieber? Und wenn ja, wie äußert sich das bei dir?

 

Marina: Aber natürlich! Eine gesunde Portion Lampenfieber hält dich wach und konzentriert. Das Theaterspiel lebt von seiner Unmittelbarkeit und das macht es besonders und spannend. Sobald das Saallicht erlischt beginnt eine kleine Reise, die jeden Abend ein bisschen anders ist; das macht für mich den Theaterzauber aus. Lampenfieber verursacht bei mir das bekannte flaue Gefühl im Magen und Herzklopfen wie beim ersten Schultag. In den Momenten verflucht man sich und fragt sich, warum man sich das eigentlich immer wieder antut. Hinterher könnte man nicht dankbarer für die Erfahrung sein.

 

Lilja: Im Gegensatz zu den meisten anderen von uns, kommst du ja ursprünglich nicht aus Unna, sondern aus dem exotischen Hamm. Kannst du dich noch an deine erste Begegnung mit dem theater narrenschiff erinnern? Wie bist du hierhergekommen?

 

Marina: Während meines Abiturs 2005 las ich in der Hammer Tageszeitung den Aufruf, dass das narrenschiff Darsteller für eine große Produktion (“Angels in America”) suche. Ich war sofort Feuer und Flamme, da ich beim Literaturkurs meiner Schule Blut geleckt und meine Leidenschaft für das Theater entdeckt habe. Mein Vater, der auch bis heute ein großer narrenschiff-Fan ist, fuhr mich nach Unna zum Casting und ich erinnere mich noch sehr, sehr gut, wie unglaublich nervös ich war, als ich damals das erste Mal die große Treppe der Lindenbrauerei hinauf stieg. Der Beginn einer langen und wunderschönen Reise. Den Zeitungsartikel habe ich noch heute und halte ihn in Ehren.

 

Lilja: Und was hat sich seit deiner ersten Zeit im Theater verändert?

 

Marina: Man ist natürlich routinierter, aber das macht es nicht weniger spannend und interessant. Nach so vielen Jahren kennt man sich selbst sehr gut; in Bezug auf Stärken, Schwächen, Vorlieben und Abneigungen. Wie man am besten Text lernt, mit Nervosität, aber auch den Eigenheiten der anderen 'Narren' am besten umgeht, all das hat sich eingespielt und das ist ein sehr schönes Gefühl. Auch das Theater selbst hat sich natürlich stark verändert und weiterentwickelt. Das Niveau der Darstellung und Inszenierung ist stetig gestiegen und auch die wichtigen Details wie Maske, Kostüm, Bühnenbild und Design sind jedes Jahr besser und professioneller geworden. Trotzdem ist dabei nicht ein Funken Leidenschaft verloren gegangen. Ich bin wirklich dankbar und glücklich, Teil eines so tollen Teams zu sein.

 

Lilja: Hast du eine Lieblingsinszenierung, unabhängig davon, ob du mitgespielt hast?

 

Marina: Ohje, das ist wirklich schwer. “Angels in America” wird bei mir natürlich immer einen ganz großen Platz im Herzen haben; hier hat mich der narrenschiff-Zauber das erste Mal gepackt und nie wieder losgelassen. “Die Altruisten” habe ich mir mehrmals angeschaut und Tränen gelacht und “Tilla” hat mich am meisten berührt und bitterlich weinen, aber auch auf das Gute im Menschen hoffen lassen.

 

Lilja: Und was war deine absolute Lieblingsrolle die du im Laufe der letzten 11 Jahre spielen durftest?

 

Marina: Auch hier fällt es mir schwer, mich festzulegen. Eine ganz große Freude und Ehre war es für mich, Mephista in “Das Faust-Experiment” spielen zu dürfen. Eine absolute Traumrolle! Ich bin aber auch sehr gerne als böse, intrigante Donna Juanita durch den Circus Travados gewandelt (und wurde beim Applaus von Kindern ausgebuht, was wohl bedeutet, überzeugend gewesen zu sein... ;-) ) und hatte als Blanche in “Endstation Sehnsucht” eine ganz tolle Zeit.

 

Lilja: Welche Rolle wurde dir noch nicht angeboten, was würdest du in Zukunft gerne einmal spielen?

 

Marina: Schillers „Maria Stuart“ hat mich immer gereizt oder auch Magenta in der „Rocky Horror Show“.

 

Lilja: Mit THE DEVIL IS AN ENGLISHMAN hast du auch selbst schon mal bei uns inszeniert. Wie kam dir die Idee zu dem Projekt?

 

Marina: Lord Byron ist und war schon immer mein Lieblingsdichter. Es grenzt fast ein wenig an Besessenheit. Daher war es unvermeidlich, dass ich ihn irgendwann mal auf unsere Bühne bringen musste. Aber da der gute Lord zumindest hier in Deutschland relativ unbekannt ist (aus mir unerfindlichen Gründen ;-) ), brauchte ich ein bekanntes „Zugpferd“, weshalb Oscar Wilde mit ins Boot kam. Als verbindendes Element kristallisierte sich schnell das skandalträchtige Leben heraus und da ich mich zu der Zeit viel mit John Wilmot beschäftigt habe, der dieses Kriterium auch absolut erfüllte, kam das Trio Infernale schnell zustande.

 

Lilja: Außerdem standen wir zwei 2015 gemeinsam bei der ersten englischsprachigen Produktion des tn auf der Bühne. Was war der Unterschied zu sonst? Hast du dich anders vorbereitet?

 

Marina: Das Textlernen war definitiv eine ganz andere Herausforderung. Eigentlich fällt mir das Auswendiglernen glücklicherweise sehr leicht. Aber Text auswendig lernen, der zum Einen nicht in deiner Muttersprache geschrieben ist und zum Anderen einer ganz anderen Zeit angehört und einem ganz strengen, wenn auch zauberhaften Rhythmus unterliegt, war anstrengender, aber auch eine ganz tolle Erfahrung.

 

Lilja: Und wie bereitest du dich normalerweise auf eine Rolle vor? Was hilft dir auf der Bühne besonders?

 

Marina: Als Literaturwissenschaftlerin bereite ich mich oft lesend vor. Das heißt, ich besorge mir viel Sekundärliteratur um ein Gesamtbild von der Zeit, den Umständen und Hintergründen zu bekommen. Auf der Bühne helfen dann natürlich Maske und Kostüm sehr. Aber vor allem auch das Publikum. Ich liebe das Theater, weil häufig eine energetische Wechselwirkung zwischen Publikum und Darstellern entsteht; das pusht mich. Du spürst, wenn das Publikum „dran ist“, sich amüsiert oder ekelt, berührt oder geschockt ist und im Sommer auch mal von der Hitze so geschafft ist, dass es sich nach der Pause sehnt...

 

Lilja: Gibt es für dich bestimmte Rituale, bevor du auf die Bühne gehst?

 

Marina: Keine zusätzlichen neben den gemeinschaftlichen (das gegenseitige Bespucken und das gemeinsame Singen des “Bunny-Liedes”). Aber ich brauche vor der Vorstellung immer ein bisschen Zeit für mich. Das ist, gerade bei Produktionen mit einem großen Ensemble, nicht immer leicht. Da muss man sich schon mal auf der noch unbeleuchteten Bühne hinter einem Bühnenelement verstecken…

 

Lilja: „The Show must go on“ gilt natürlich auch bei uns. Was ist das schlimmste, was dir vor oder während einer Aufführung mal passiert ist (und hast du trotzdem weitergespielt)?

 

Marina: Das war definitiv meine kleine Stippvisite im Krankenhaus. Eine Stunde vor einer “Romeo und Julia”-Vorstellung sind mein Spielpartner und ich nochmal unsere Schwertkampf-Choreografie durchgegangen. Wegen einer schon vorhandenen Fingerverletzung rutschte mir dabei das Holzschwert aus der Hand und seins landete mit voller Wucht auf meinem Kopf und verschaffte mir eine ordentlich blutende Platzwunde. Silvia Kleinwächter fuhr mich schnell ins Krankenhaus (beide in vollem Kostüm, was für irritierte Blicke bei der Belegschaft sorgte), die Wunde wurde genäht und ich war pünktlich zur Vorstellung zurück. Den Schwertkampf haben wir an dem Tag dann aber ausnahmsweise ausgelassen..

 

Lilja: Durch dein Studium hast du dich auch privat viel mit deutscher und englischer Literatur auseinandergesetzt, wer ist dein Lieblings-Theaterautor? Und welchen Text würdest du gern mal bei uns auf der Bühne sehen?

 

Marina: Eigentlich haben wir mittlerweile alle Stücke und Autoren, die ich liebe (Byron war leider kein begnadeter Dramatiker) gespielt; dazu gehören Tschechow, Tennessee Williams und Frank Wedekind. Es gibt jedoch ein Stück, das mich sehr beeindruckt hat und mich auch sprachlich sehr reizen würde: „worst case“ von Katrin Röggla.

 

Lilja: Hast du schauspielerische Idole? Woher holst du dir deine Inspirationen, wenn du dich auf eine Rolle vorbereitest?

 

Marina: Richtige Idole habe ich nicht. Inspiriert werde ich denke ich aus Film, Funk und Fernsehen, wie man so schön sagt. Jede Rolle ist ein Potpourri aus unterschiedlichsten Figuren, die mir mal begegnet sind.

 

Lilja: Was wünscht du dir für die nächsten 15 Jahre tn?

 

Marina: Ich wünsche mir, dass uns die Leidenschaft und Inspiration erhalten bleibt, das Publikum weiterhin genauso viel Spaß und Experimentierfreude am Schauspiel hat, wie wir und dass wir so verrückt bleiben, wie wir sind. Ganz nach dem Motto des Märzhasen in ‚Alice‘: ‚Ich bin verrückt, du bist verrückt, sonst wärst du nicht hier!“

 

Lilja: Welches Zitat ist bei dir besonders hängen geblieben?

 

Interview, Sommer 2017